Samstag, 4. Juli 2009

...und das ist nicht gut so!

Kölle aloha - in Deutschlands viertgrößter Stadt ist wieder Christopher Street Day! Dieses Wochenende riecht es in Kölner U-Bahnen stärker nach Parfum als nach Schweiß, alte Männer zeigen ihre dicken behaarten Bäuche, junge Männer zeigen dass sie eigentlich keine sind und mehr Make-Up tragen können als Paris Hilton - und dazwischen schlängeln sich händchenhaltend Frauen ihn Holzfäller-Hemden mit praktischen Kurzhaarfrisuren. Alles nur Klischees? Dann geht doch mal raus und schaut euch das Elend mal an!

In diesem Jahr wird Jubiläum gefeiert: 40 Jahre Christopher Street Day, das passende Motto dazu heißt "Unsere Freiheit hat Geschichte". Ja, das hat sie, die Freiheit. Vor allem ist sie heute so groß wie nie zuvor. Aber ist nicht genau das der Grund, warum der CSD eigentlich ausgedient hat?

Die eigentliche politische Demonstration ist der CSD doch schon lange nicht mehr. Heute geht es um Sehen und Gesehen werden. Um möglichst viel Bier, um knappe Klamotten und die Möglichkeit an schnellen Sex zu kommen. Und dabei schadet sich die schwule Welt selber.

Man will nicht ausgegrenzt werden, will akzeptiert werden, will dazu gehören als Schwuler. Aber gleichzeitig flippt ein Großteil der schwulen Bevölkerung regelmäßig aus und donnert sich zum CSD auf wie für eine Transen-Party, winkelt die Hände noch mehr an, spricht noch nasaler und bestellt noch einen Prosecco auf Eis extra. Kein Wunder also, dass der durchschnittliche Hetero ein ganz besonderes Bild des durchschnittlichen Schwulen vor Augen hat. Der Eindruck, den die Heteros einmal im Jahr bekommen (sei es durch Bilder in den Nachrichten oder weil sie selber den CSD besuchen), reicht doch vollkommen aus, um sämtliche Klischees vor sich selber zu bestätigen.

Fazit: Der CSD ist heute nichts weiter mehr als eine große, schrille und bunte Party. Karneval im Sommer. Gute Laune und (teilweise auch) hübsche Menschen. Aber: Ein politisches Statement und ein Werben für mehr Toleranz ist es er sicher nicht mehr.

Wie auch? Viel mehr Toleranz kann man heutzutage nicht mehr einfordern. Schwule und Lesben sind inzwischen gesellschaftlich schon stark akzeptiert - da hätte man vor zehn, zwanzig Jahren kaum von träumen können. Und: Klar ist noch viel Luft nach oben in Sachen Toleranz (besonders in ländlichen Bereichen und handwerklichen Berufen). Aber das ist eine normale Entwicklung, die sich "von selbst" vollziehen wird. Zumindest hilft das Wedeln mit Federboas und das nasale "Hallöchen"-Rufen nicht dabei, dafür zu sorgen, dass Schwule und Lesben als "normale Menschen" wahrgenommen werden und einfach dazugehören. Diese Selbst-Ausgrenzung ist da eher rückschrittig als hilfreich.

Ich selbst war gestern und heute auch in der Innenstadt. Gestern einfach mal zum Schauen, heute, um mir die Diskussion der drei Kölner Oberbürgermeister-Kandidaten anzuschauen. Das war mäßig interessant und Wahlkampf pur, aber so sollte es ja auch sein. Witzig dabei ist, dass zwei der drei Bewerber selber schwul sind - und das natürlich auch im Mittelpunkt der Diskussion stand.

Aber was ich auf dem Weg durch die Mengen an Heumarkt, Alter Markt und Gürzenich gesehen habe, hat mich dann doch beschämt. Es tut mir leid, aber teilweise muss man sich dafür schämen schwul zu sein - wenn solche Leute das Schwulsein repräsentieren. Schrille Party und gute Laune - ja! Aber bitte alles im Rahmen und nicht zu überkandidelt. Das schadet uns eher, als dass es hilft - und das ist nicht gut so!

3 Kommentare:

  1. Hui, da haste aber kein gutes Haar an uns gelassen...

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  2. Interessante Beobachtung. Ich werde den CSD dieses Mal nicht besuchen, aber als ich letztes Jahr in Hamburg und Köln auf den CSD-Feiern war, fiel mir schon auf, dass diese Veranstaltungen wenig mit einer Demonstration gemeinsam haben.

    Allerdings muss man das ja im großen Ganzen sehen: Der CSD ist gewachsen. Von der Demonstration, die er früher war, ist heute möglicherweise deshalb nicht mehr so viel übrig geblieben, WEIL es - zumindest in den Metropolen und größeren Städten Deutschlands - nicht mehr so notwendig ist, für die Rechte zu demonstrieren.

    Ohne Frage ist die Gleichstellung von Heteros und Homos noch lange nicht vollzogen, das ist klar. Aber je weniger das "gegen das Gesetz oder die 'Moral'"-Handeln notwendig ist, um überhaupt eine Veranstaltung wie den CSD stattfinden zu lassen, desto mehr verschwinden die ursprünglichen Gründe dafür im Hintergrund: Wenn ich mir aussuchen kann, ob ich lieber demonstriere oder lieber feiere, dann steht die Party im Vordergrund.

    Trotzdem: Du hast Recht. Ich frage mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis oft genug, ob die Leute eigentlich verstehen, was ich sage und denke. In manchen Fällen ist es sogar offensichtlich, dass mein schwules Leben nur deshalb interessiert mit angehört wird, weil es dabei ab und zu um Parties, Dark Rooms und die neuesten Männergeschichten geht. Dabei vergessen diese Zuhörer sämtlich, dass es das bei Heteros doch ganz genau so gibt. Der kleine Unterschied: Da erzählt nur niemand von.

    Aber ich bin an dieser Stelle dann immer gern derjenige, der es zumindest mal zur Sprache gebracht hat, weil diese Geschichten ja auch amüsant sind - aber ich versuche gleichzeitig auch immer den echten schwulen Gedanken transportieren: dass es bei Schwulen um die gleiche Liebe geht wie bei Heteros. Wir erleben die gleichen Schmetterlinge, die gleiche Trauer und die gleiche Pubertät.

    Diejenigen, die das stereotype schwule Leben leben, sind zwar in der Minderzahl, aber zugegeben: Es macht schon Spaß, sich ab und zu einmal so von der Masse abzugrenzen und wirklich anders zu sein. Die Blicke sind einfach zu herrlich ;-)

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  3. dazu ein interessanter artikel von sarah jäckel aus münchen:

    http://leo.publigayte.com/Artikel.730+M579b5c42ebc.0.html

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